Am 6. und 7. Februar 2020 fand nach mehrjähriger Pause wieder eine von der Kommission für Fachreferatsarbeit des Vereins Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) veranstaltete Fortbildung für die Fachreferent*innen der Fächer Anglistik und Amerikanistik statt. Knapp dreißig Fachreferent*innen folgten der Einladung und reisten zur Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen), wo die Veranstaltung vom Team des DFG-geförderten Fachinformationsdienstes Anglo-American Culture (FID AAC) organisiert wurde. In den Räumen des Historischen Gebäudes der Bibliothek wurden an den zwei Tagen viele aktuelle Aspekte des weiten Tätigkeitsbereichs der Fachreferent*innen in verschiedenen Formaten diskutiert. Ein Schwerpunkt der Fortbildung lag auf der Arbeit und dem Aufgabengebiet des FID AAC, dessen Team die Zielsetzungen für die zweite Förderphase skizzierte.
Nach den Grußworten des stellvertretenden Direktors der SUB Göttingen, Dr. Armin Müller-Dreier, und Dr. Karolin Bubke (Universitätsbibliothek Oldenburg), Mitglied der Kommission für Fachreferatsarbeit des VDB, eröffnete die Projektleiterin des FID AAC, Dorothea Schuller, den inhaltlichen Teil des Programms. In ihrem Vortrag „Do Libraries Dream of Electric Books?“ erörterte sie sowohl Herausforderungen bei der Namensgebung des FID, bei Lizenzverhandlungen für die überregionale Bereitstellung elektronischer Ressourcen, als auch die Anforderungen an das Erwerbungs- und Sammlungsprofil, um die oft interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftler*innen möglichst umfassend mit der benötigten Spezial-Literatur versorgen zu können.
Ein wichtiger Baustein im Open Access-Konzepts des FID AAC ist das Fachrepositorium „The Stacks“, das von den Projektmitarbeiter*innen Dr. Tomasz Stompor und Wiebke Kartheus vorgestellt wurde. In ihrem Vortrag sprachen die beiden über das Sammlungskonzept des Repositoriums, das neben den traditionellen Zweitveröffentlichungsformaten auch „Graue Literatur“—Konferenzprogramme, Syllabi, Vorträge, etc.—veröffentlicht, um die Bandbreite des wissenschaftlichen Arbeitens besser abbilden zu können. Darüber hinaus wurden die Maßnahmen zur Einwerbung und Öffentlichkeitsarbeit vorgestellt, die zu erwartenden Hürden und Grenzen angesprochen und die wichtige Rolle der Fachreferent*innen als Multiplikatoren diskutiert.
Die Inhalte beider Vorträge wurden durch interessierte und produktive Diskussionen bereichert und vertieft. Fragen und Anregungen zu den Vor- und Nachteilen einer Veröffentlichung im Fachrepositorium wurden ebenso besprochen wie Details im täglichen Arbeitsablauf. Die Diskussionen im Anschluss an jedes einzelne Panel zeigten das Bedürfnis und die Wichtigkeit des professionellen Erfahrungsaustauschs und der Kompetenzbündelung. Sie prägten die Fortbildung sehr und trugen immens zum Erfolg der gesamten Veranstaltung bei.
Nach der Kaffeepause rückte der Bereich der Digital Humanities und des Forschungsdatenmanagements ins Zentrum der Aufmerksamkeit mit einer Einführung in das Projekt Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities (DARIAH-DE). Dr. Andrea Bertino präsentierte einige Forschungstools, die es Wissenschaftler*innen ermöglichen sollen, ihre gesammelten Daten zu analysieren, visualisieren oder zu annotieren und somit allumfänglich zu erschließen. Die Vorstellung der dazugehörigen Forschungsumgebung TextGrid mit ihrem Daten-Repositorium TextGrid Repository und der Software TextGrid Laboratory problematisierte erneut die komplexe Situation von Doppelstrukturen und bestätigte den beträchtlich Kommunikationsbedarf, um das Potential dieser Dienste für die Zielgruppe nutzbar zu machen. Den Blogbeitrag zu Dr. Bertinos Vortrag sowie die dazugehörige Präsentation finden sie hier.
Zum Abschluss des ersten Fortbildungstages und im Gegensatz zu den abstrakten Ideen und der digitalen Beschaffenheit von Bibliothek, Archiv und Wissensvermittlung führte Dr. Christian Fieseler das Fachpublikum durch die historischen Räume und Bestände der SUB Göttingen, die seit ihrer Gründung 1734 – aufgrund der Personalunion von Hannover und Großbritannien – Bücher zum englischsprachigen Kulturraum sammelt. Anknüpfend an diese Sammlungsgeschichte wurden noch ein paar seltene Kostbarkeiten aus der England- und Amerikasammlung der SUB gezeigt. Als Highlights seien hier zwei Ausgaben des Kolumbus-Briefes von 1493, die Erstausgabe von Herman Melvilles Moby-Dick (1851), die mit aufwendigen Holzschnitten illustrierte Ausgabe von Geoffrey Chaucers Gesamtwerk der Kelmscott Press (1869) und eine handsignierte Ausgabe von Oscar Wildes The Picture of Dorian Gray (1891) erwähnt. Derart inspiriert wurden viele Gespräche beim gemeinsamen Abendessen vertieft.
Der zweite Fortbildungstag begann mit dem Fachvortrag „Fiction Meets Science Meets Library“ von Dr. Anna Auguscik (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg). In ihm stellte sie die Fragestellungen und Interessenschwerpunkte des von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojektes „Fiction Meets Science“ vor. Dieses beschäftigt sich nicht nur mit englischsprachigen Romanen, die sich mit Naturwissenschaften auseinandersetzen, sondern setzt sich auch aktiv für den Wissensaustausch zwischen Schriftsteller*innen und Naturwissenschaftler*innen ein. Dr. Auguscik trat darüber hinaus mit der Frage an das Plenum, wie sie ihre eigenen Forschungsdaten nutzbar machen kann und konnte so den Bogen zu den am Vortag geführten Gesprächen spannen. Sie und ihr Kollege und Projektmitbegründer Prof. Dr. Anton Kirchhofer sorgten mit ihrem Interesse und Diskussionsbeiträgen für einen angeregten und produktiven Transfer zwischen Wissenschaft und Fachreferat und demonstrierten so die Wichtigkeit der Rolle der Fachreferent*innen als Vermittler*innen zwischen Forschung und Infrastruktur.
Auch der nächste Programmpunkt bot viel Gelegenheit zum professionellen Dialog: An drei Thementischen konnten die Teilnehmer*innen die Themen „Aufgabenprofil Fachreferat“, „Digitale Tools“ und „Informationskompetenz/Vernetzung (mit Lehre)“ intensiv besprechen und im Anschluss die Ergebnisse der großen Runde präsentieren. Es zeigte sich wieder, wie wichtig der persönliche Erfahrungsabgleich mit den Kolleg*innen gerade für die Arbeit im Fachreferat ist, da die institutionellen Vorgaben und Arbeitsprofile sehr unterschiedlich sind. Das neue Format kam diesen Bedarf entgegen und war durch die hohe Teilnehmerzahl besonders effektiv. Um dem Wunsch der Anwesenden zu entsprechen, den Dialog über die Veranstaltung hinaus weiter zu führen, hat der FID AAC den E-Mail Verteiler für Anglistik-/Amerikanistik-Fachreferent*innen wieder aufleben lassen.
Zum Abschluss hielt Medea Seyder, Bibliotheksleiterin der Bibliothek des John-F.-Kennedy-Instituts für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin, einen Vortrag über die Sammelschwerpunkte der Bibliothek. Als Projektpartnerin des FID AAC ist die JFKI-Bibliothek mit ihren umfassenden Zeitungs-, Comic- und Graphic Novel-Beständen sowie der großen Sammlung an nordamerikanischen Filmen und TV-Serien ein wichtiger Faktor für die Umsetzung der gesteckten Ziele und die Versorgung der deutschen Fachcommunity mit wichtigen Primärquellen. Das Sammeln audiovisueller Medien bereitet vielen Bibliotheken allerdings auch Probleme, wollen sie ihren Nutzer*innen langfristig Zugang zu Schallplatten, CDs, oder Tonbändern gewähren. Als nächste große Herausforderung für Bibliotheken wurde die Lizenzierung von Streaming-Diensten benannt und erste Erfahrungen mit dem On-Demand Streaming-Dienst Kanopy ausgetauscht.
Mit diesem Beitrag endete die Fortbildung für Fachreferent*innen der Anglistik/Amerikanistik. Die institutionellen und wissenschaftlichen Herausforderungen und Veränderungen mitzugestalten und mitzuversorgen bleibt sicherlich spannend und anspruchsvoll. Aber mit einem guten Netzwerk, zu dessen Stärkung diese Veranstaltung hoffentlich beigetragen hat, lassen sich viele Hürden leichter überwinden.